D a s   L i b e r a l e   T a g e b u c h

Sammlung Originaldokumente aus „Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de

 

 

Deutscher Bundestag,
Debatte „Eigenheimzulage“ am 22. Oktober 2004

 

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Carl-Ludwig Thiele, FDP-Fraktion.

 

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

 

Sehr geehrter Herr Präsident! Zunächst auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Eine solche Sitzung ist sicherlich dazu angetan, Ihnen möglichst häufig zu gratulieren. Das werden die nachfolgenden Redner wahrscheinlich auch tun.

 

Frau Kollegin Andreae, Ihr Redebeitrag erweckt den Eindruck, dass das Streichen der Eigenheimzulage finanzielle Spielräume eröffnen und in der Zukunft Ausgaben ermöglichen wird, an die derzeit nicht zu denken ist. Wenn man Ihren Vorstellungen folgen würde, dann könnte man mindestens dreimal so viele gute und wünschenswerte Vorhaben benennen, die der Staat finanzieren sollte und die dann mit den durch die von Ihnen geforderte Streichung der Eigenheimzulage eingesparten Mitteln finanziert werden könnten. Die Eigenheimzulage ist in diesem Zusammenhang der neue Jäger 90 der neuen rot-grünen Finanzpolitik! Das vermag ich nicht ganz einzusehen.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Lassen Sie mich wieder ernst werden. Gestern Nachmittag fand im Deutschen Bundestag die erste Lesung des Nachtragshaushalts für das laufende Jahr statt. Der Haushalt läuft aus dem Ruder. Deutschland wird die höchste Neuverschuldung erleben, die es je gab.

Zum dritten Mal in Folge hat die Koalition einen verfassungswidrigen Haushalt zu verantworten. Ihr Finanzminister erklärt, dass er sich weigert, zu sparen und Sparvorschläge vorzulegen.

 

(Jörg Tauss [SPD]: Unverschämtheit!)

 

- Dann beschweren Sie sich beim Finanzminister! Er hat sich doch so geäußert. Ich zitiere Herrn Eichel doch nur.

 

- Sie haben doch erklärt, Sie könnten in diesem Haushalt keine weiteren Einsparungen vornehmen. Sie wollen das nicht! Das Mindeste wäre, eine Haushaltssperre zu verhängen oder Ähnliches. Aber nicht einmal dazu sind Sie in der Lage, Herr Finanzminister.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Wer so verantwortungslos mit den Staatsfinanzen umgeht, die höchste in Deutschland je erzielte Neuverschuldung erreicht, damit die nachfolgenden Generationen belastet und dann hier eine solche Shownummer abzieht, beweist, dass auch der letzte Rest Seriosität in der Finanzplanung auf der Strecke geblieben ist.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Im vergangenen Jahr haben wir im Zuge des Vorziehens der nächsten Stufe der Steuerreform eine Diskussion geführt. Auch wir von der FDP haben uns für die Kürzung von Subventionen eingesetzt. Im Zuge dieser Diskussion wurde die Eigenheimzulage grundsätzlich umgestaltet. Sie wurde um 30 Prozent gekürzt. Das ist der Bereich, in dem am stärksten gekürzt wurde. Den Subventionsabbau in anderen Bereichen hat der Finanzminister nicht einmal vorgeschlagen; er wurde von den Ländern gefordert. Wir haben den Subventionsabbau mitbeschlossen.

 

Die Rahmenbedingungen sind also bereits verändert worden. Die Änderung der Eigenheimzulage ist mit den Stimmen von Rot-Grün im Dezember beschlossen worden. Jetzt aber erklären Sie: Dieser Beschluss kann nicht länger gelten; die Eigenheimzulage muss komplett abgeschafft werden. Das irritiert und verunsichert die Bürger am stärksten: In dieser Politik gibt es keine Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

 

Mit dieser Planungsunsicherheit machen Sie die Konjunktur und das Wirtschaftswachstum kaputt und legen die Wurzeln dafür, dass Deutschland nicht in dem notwendigen Maße vorankommt.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Auch wir von der FDP sind der Auffassung, dass es keine Ewigkeitsgarantie für die Eigenheimzulage geben kann.

 

Wenn sie aber gestrichen wird, dann müssen gleichzeitig die Steuern gesenkt werden.

(Beifall bei der FDP … )

Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bürger und junge Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen, diesen Wunsch verwirklichen können. Erkundigen Sie sich einmal, wie viele Familien mit Kindern in die Neubaugebiete ziehen und warum sie Eigentum bilden wollen.

 

Wenn man die Eigenheimzulage streicht, ohne diesen Personenkreis an anderer Stelle zu entlasten, dann ist er nicht mehr in der Lage, das notwendige Eigentum zu bilden. Um diesen Zusammenhang geht es doch!

 

Alle Ihre Vorschläge bedeuten eine simple Steuererhöhung, die als Subventionsabbau getarnt ist. Das lehnen wir ab. Dafür stehen wir nicht.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Was die Begriffe angeht, die Sie der Eigenheimzulage gegenüberstellen, ist festzuhalten: Wir brauchen in Deutschland in der Tat Bildung. Dafür stehen wir. Wir haben entsprechende Konzepte vorgelegt, die von Ihnen abgelehnt wurden.

 

Wir brauchen in Deutschland aber auch Eigentum. Warum werden Bildung und Eigentum gegenübergestellt? Unser Land kann sich nur dann entwickeln, wenn es Bildung und Eigentum gibt.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Das ist doch der entscheidende Punkt.

 

Wenn es darum geht, den Subventionsabbau anzugehen, dann stellt sich die Frage, warum in den nächsten Jahren bis 2012 16 Milliarden Euro für die Steinkohle ausgegeben werden. Warum soll das erforderlich sein? Das ist eine Ausgabe, die vom Bundeshaushalt Jahr für Jahr geleistet wird. Hier kann man doch herangehen. Warum investieren Sie weiter in die Vergangenheit anstatt in die Zukunft? Ihre Aufgabe ist es doch, in die Zukunft zu investieren.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Wir Liberale möchten, dass in die Zukunft investiert wird. Wir brauchen weniger Kohle für die Kohle, aber mehr Kohle für die Bildung. Dafür werden wir werben. Das ist aber mit dem simplifizierten Steuererhöhungsgesetzentwurf der Bundesregierung nicht möglich.

 

(Beifall bei der FDP … !)