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Spenden&Verfassung

Stand: 8. April 2002, 18:00 / 02.04.02

Vom Spendensumpf zum Verfassungsbruch

Gehen wir davon aus, dass niemand in Deutschland die Zustände haben wollte, die erst jetzt für die Öffentlichkeit gesicherte Erkenntnis geworden sind. Die Dinge haben sich schleichend entwickelt. Millionen haben daran mehr, auch weniger mitgewirkt. Vorwürfe sind dennoch zu erheben. An alle, die es wussten oder zumindest wissen mussten. Es wurde zu oft geschwiegen - vielfach in der gleichen psychischen Konfiguration wie in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhun- derts.

Wenn geachtete und fähige Leute wie Schröder und Burger, ohne Zweifel Mitglie- der der Elite in Deutschland, der Presse zufolge dem Finanzamt Belege einreich- ten, ohne dass entsprechende Aufwendungen von Ihnen getätigt wurden, dann bricht zunächst das Vertrauen in eine Gesinnung, die von Rechtsstaatlichkeit geprägt sein müsste. Auch wenn es schwer fällt zu glauben, niemand - insbeson- dere in noch höheren Rängen - habe über die bedeutenden Geldmittelflüsse hin- ter diesen Praktiken etwas gewusst, besteht selbstverständlich Unschuldsvermu- tung gegenüber jedermann sonst.

Nun hat sich dieser Tage der bekannte Vorfall im Bundesrat ereignet. Es versin- ken einerseits fähige Kommunalpolitiker im Spendensumpf während rechtswidri- ges Verhalten sich anderenorts ungeniert als Verfassungsbruch manifestiert. Wer meint, man solle den Steuersündern die paar EURO gönnen und weiterhin meint, “sollen sich doch die Politiker raufen”, verkennt den roten Faden vom Spenden- sumpf zum Verfassungsbruch. Die Frage nach der Grenzziehung ist noch harm- los. Die naheliegende Überlegung, führende Politiker würden oder möchten sich insgeheim ihr eigenes Recht zimmern, überschreitet definitiv den Rubikon. Darüber hinaus gibt es über Moral und Politik im Liberalen Tagebuch den Beitrag vom Frühjahr 2000.

Es gibt keine noch so edlen politischen Absichten, die Rechtsbruch rechtferti- gen. Totalitarismus wäre unweigerlich die Folge. Dies gilt sowohl für Kernbefug- nisse wie für Verfahrensfragen; schon weil über Verfahrensfragen sehr wohl die so genannten Kernbefugnisse ausgehebelt werden können. Frau Limbach, Präsi- dentin des BVerfG hat in einem KStA-Interview, veröffentlicht am 2. April 2002 auf Seite 2, taktisch gekonnt, also bewusst und absichtlich den Verfahrensverstoß verharmlost (s. mittlere Spalte). Es ist empörend, dass die Präsidenten subtil ver- sucht ihre Parteifreunde von der SPD ex cathedra parteiergreifend so zu unter- stützen. Nachvollziehbar: Wird die Verfahrensfrage dem politischen Ziel unterge- ordnet, dann machen Verhalten und Logik der Argumentation Sinn. Aber wollen wir uns im Europa des 21. Jahrhunderts die leninsche Logik zu eigen machen? Der bissige Kommentar in liberal am 30. April 2002, war - obwohl zwischenzeit- lich Selbstzweifel aufkamen - schon ohne genaues Lesen des erwähnten KStA- Interviews also vollkommen berechtigt. Das Fehlverhalten von Frau Limbach ist um einiges schlimmer als Stilbruch ... Darf Sozialisten künftig ein derart sensi- bles Amt, wie das eines Präsidenten des Verfassungsgerichtes, überhaupt noch anvertraut werden?

Es scheint nicht bewusst geworden zu sein, dass das rechtswidrige Verhalten aller derjenigen, die das Vorgehen von Klaus Wowereit, Präsident des Bundes- rates, ausgeheckt und gedeckt haben, besonders gravierend ist, weil Vorsatz (“Planung” und Verabredung) im Spiel ist. Das kommt davon, wenn Verfahrens- fragen den sog. Kernbefugnissen untergeordnet werden. Alle Zeitzeugen haben mitbekommen, dass in der Zeit vor der Abstimmung im Bundesrat am 22. März 2002 erheblicher Druck ausgeübt wurde. Es ist sicher Sache der CDU/CSU, Leute in Positionen zu bringen, die letztlich keinen problemadäquaten Mumm haben; aber an die SPD, besonders ihre führenden Leute ist die Frage zu richten: “Sind Sie sicher, Herr Schönbohm habe ohne äußeren Druck, frei nach seinem eigenen Gewissen und Ermessen handeln können? Ist da nicht doch Gewalt im Spiel gewesen? Der ferne Beobachter stellt fest: Die Handlungen der maßgebli- chen SPD-Leute haben keinen ausreichenden Abstand zu blanker Erpressung. Und dies kann sich die SPD unbesehen hinter die Ohren schreiben: Die Bürger in Deutschland wollen ohne jeden Zweifel nicht, dass Gewaltätigkeit in unserer politischen Elite stattfindet. Natürlich kennen alle die relative Besessenheit, die mangelnde Toleranz und die fehlende Qualifikation verlieren zu können derjeni- gen, die von Sozialismus träumen. An diesem Punkt haben die CDU/CSU, ihr Kanzlerkandidat, andere führende Christdemokraten eklatant versagt: Sie kennen doch die o.a. psychischen Probleme vieler Sozialisten. War es wirklich unver- meidbar die Sozialisten so zu provozieren, dass die dann sogar die Verfassung gebrochen haben? Es mag der CDU/CSU positiv angerechnet werden, dass sie mit einem so exponiert Konservativen als Kandidat zum Kanzler in die BT-Wahl 2002 zieht, weil dadurch das Ausfranzen, die Exzesse am rechten Rand neutra- lisiert sind. Aber zu weit ist die CDU/CSU im Falle der Behandlung des Themas Einwanderung auf jeden Fall gegangen. Ihre sonst verkündeten Werte stehen in Widerspruch zu ihrem Verhalten. Und das Schlimme hierbei: Die CDU/CSU weiß ganz genau, dass sie keine Chance hat, mit Ihrem Programm und der angebote- nen Mannschaft die Probleme, die wir alle kennen zu lösen. Was ist denn heute bei der CDU/CSU anders als vor 1998?

Die CDU/CSU zwingt nun ihrerseits den Bundespräsidenten zu einer Entschei- dung gegen seinen Willen: Er darf das dringend erforderliche Gesetz zur Zuwan- derung/Einwanderung nicht ausfertigen, obwohl er das aus inhaltlichen Gründen sehr wahrscheinlich gerne tun würde. Tolle Demokraten alle miteinander.

WW liegt mit seinem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 31. März 2002, Seite 2, “Der Kern der Demokratie ist berührt” einmal mehr genau richtig.

Also: Je mehr 18 für die FDP, desto besser kann, wie WW verlangt, auch der Föderalismus in Deutschland reformiert werden. Besonders wichtig: “Unsere Politiker haben Anspruch darauf, die Politik, die sie verantworten auch durchset- zen zu können” (WW). So ist, verehrte Leser liberale Geisteshaltung. Bleibt nur noch zu hoffen, dass die verantwortlichen Leute der Noch-Vopas alsbald bereit sind, Verantwortung auch wirklich zu tragen ... Schaumama.

Nachsatz: Was ist, wenn das BVerfG entscheiden würde, das Vorgehen von Wowereit am 22.3.02 sei verfassungsrechtlich akzeptabel? Dann wäre der hier erhobene Vowurf zurückzunehmen. Das würde auch geschehen. Aber: Eine Ent- scheidung “zugunsten” der SPD würde die Verfassung ändern. Und dazu ist das Gericht nicht befugt; eine derartige Kompetenz des BVerfG ist zwischen den Bürgern nie verabredet worden; sie widerspräche im übrigen dem Prinzip der Gewaltenteilung. Also wäre - obwohl unsere Demokratie dann nicht sofort unter- gehen würde - die Entscheidung des BVerfG zugunsten der SPD verfassungswi- drig. Mit anderen Worten: Das Verhalten der SPD löst einen verfassungswidrigen Zustand auf jeden Fall aus. Sozusagen so oder so. So bedauerlich es ist: Ent- weder wird die SPD beschädigt oder die Verfasstheit unseres Staates. Es ist klar: Die Verfasstheit des Staates ist das höhere Gut. Die SPD nach deren Spendenskandal in ihren Fundamenten zu beschädigen, das hat auch die CDU/CSU zu verantworten. Noch einmal: Tolle Demokraten. Gilt auch für die Grünen, die sich lautlos in die Büsche verschlagen haben. Gewissen, liebe Feunde ... Andernfalls dürfen Sie aussuchen: naiv oder totalitär.

Ein Allerletztes: Die verfassungsändernde Kompetenz darf das BVerfG nicht ha- ben. Dies würde die Tendenz, das Gericht “politisch”, also “parteiisch”, zu beset- zen weiter erhöhen. Jedermann weiss, dass sich die sogenannten Grenzfälle jederzeit wiederholen können und jedermann weiß, wo dies alles hinführen kann. Angesichts der durchaus problematischen Moralfestigkeit weiter Teile unserer Elite ein Risiko, das nicht eingegangen werden darf. Die Gewissen des Bundes- präsidenten, evtl. der Mitglieder des BVerfG haben das Wort.

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