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Stand: 12. Mai 2000, 7:00

Politik und Moral - Ist Politik eine Moralwüste?

Im Kölner Stadtanzeiger vom 9.5.00 wird eine Stadtpredigt in der Antoniterkirche zu dem Thema angekündigt. Die Initiative, überkonfessionell eingestilt, ist zu begrüßen, obwohl der Zeitpunkt der Ankündigung und die Person des Vortragenden Anlass zur Sorge geben. Dennoch ist zu hoffen, dass die Initiative auch die führenden Politiker der so genannten Volksparteien zwingt, Farbe zu bekennen. Neue Kommissionen müssen nicht eingerichtet werden, denn die Dinge sind seit Jahrhunderten klar gestellt; beim „Machen“ gibt es mit Stand Mai 2000 aus Sicht der Mehrheit der Bürger jedoch erhebliche Defizite.

Es darf nicht der Eindruck entstehen, bezüglich Politik und Moral müsse das Pulver neu erfunden werden. Jenseits von Parteitagsbeschlüssen wird das Thema aus liberaler Sicht hier kurz und bündig – im wesentlichen abgeschlossen – abgearbeitet.

(1)

Die wichtigste Voraussetzung für Moral in Politik ist der Primat des Gewissens. Steht individuelle Freiheit im Mittelpunkt des liberalen Denkens, so wird genau dadurch auch Verantwortung zum Imperativ. Denn die Freiheit des Einzelnen ist dialektisch mit der Freiheit des Anderen verbunden. Beispielsweise bedeutet die Freiheit des einen Menschen, ein bestimmtes Stück Brot als Eigentum zu betrachten, die Unfreiheit des Anderen bezüglich des gleichen Wunsches. Freiheit des Einzelnen ohne die Verträglichkeit mit der Freiheit des Anderen existiert alleine ebenso wenig wie der isolierte Süd- oder Nordpol eines Magneten. Das Fehl-Verhältnis der Freiheit des Einen mit der Freiheit des Anderen wird stets nur in Ansätzen justiziabel sein. Durchaus komplexe Entscheidungen trifft daher der Einzelne unter Einsatz seines Gewissens in eigener Verantwortung. Diese Verhältnisse sind in der zivilisierten Welt überwiegend gut gelöst; aber eben nur überwiegend. Gewissenlose hatten in der Politik noch nie etwas zu suchen. Schlagartig wird schon an dieser Stelle klar, warum Wahrhaftigkeit „in der Politik“ so wichtig ist.

(2)

Im Grundsatz will jeder Mensch sich an die vereinbarten Regeln des Zusammenlebens halten. Aber nach tausendjähriger Erfahrung, gibt es immer wieder wenige die die schützende Hütte des Rechts verlassen. Künftige Un-Taten sind zu unterbinden, vergangene mit Sanktion zu belegen. Rechtsbruch ist eben Gewalt gegen den Willen „aller“. Besonders arbeitsteilige Gesellschaften haben im Zuge langer Entwicklung daher Institutionen entwickelt, denen Aufgabe und Pflicht zum „gewaltsamen Vorgehen“ gegen Rechtsbruch exklusiv, monopolistisch übertragen sind. Auf Zeit gewählte Politiker geben als Vorgesetzte der entsprechenden Institutionen Anweisungen an ihre Mitarbeiter und sind für die Kontrolle der Gesamtheit ihrer Handlungen (u.a. Freiheitsentzug oder Eindringen in private Wohnung) zuständig. Führende Politiker sind somit täglich mit Tätigkeiten befasst, die in vielfältiger Weise Gewalt gegen Einzelne bedeuten. Dies nicht nur bei Problemen von Kriminalität, sondern auch in Zusammenhang mit dem Katalog bürgerlicher Pflichten (Steuern, Wehrdienst, Publizität, usw...).

Unter diesen Umständen kann und darf nur Vertrauen politische Führung tragen.

Das aber ist nicht Vertrauen in „den Staat“, nicht in „die Verfassung“, nicht einmal in Institutionen wie Parlamente oder Gerichte; nur Menschen können nämlich handeln ; also geht es um das Vertrauen von Menschen in Menschen, etwa Politiker mit Name und Wohnsitz; Menschen, die man kennt, die man im Stadion, beim Spazieren gehen, beim Einkaufen, auf dem Einwohnermeldeamt, beim Finanzbeamten, im Stau – überall treffen kann. Das sind Menschen wie „Du und ich“. Aber Politiker sind auch sehr andere Menschen: Sie sind Mandatare von Gewalt. Es hilft alles nichts: Politiker müssen Bürger mit überbürgerlichen moralischen Qualitäten sein. Sonst können Bürger so anderen Bürgern nicht vertrauen.

Vertrauen ist Bringschuld. Fehlendes Vertrauen beruht auf verletzter Pflicht. Jeder Politiker 2000 weiß, was er zu tun hat. Mit das Wichtigste: Haben er oder sie zum friedlichen Zusammenleben aller Menschen nachvollziehbar positiv beigetragen?

(3)

Zurück zur Wahrhaftigkeit. Der Zusammenhang mit Vertrauen liegt auf der Hand. Wer den hellgrauen Gegenstand erkennt und behauptet sein Ton sei dunkelgrau, der lügt klassisch. Und da Vertrauen so intensiver Pflege bedarf, ist an Wahrhaftigkeit so hoher Anspruch zu stellen. Es lügt also ebenfalls wer:

  1. „Dunkelgrau“ sagt ohne sich zuvor vergewissert zu haben.
  2. Ergebnisse von anderen übernimmt ohne deren Qualifikation geprüft zu haben.
  3. Andere – etwa durch Überforderung, Druck oder Gewalt - zur Lüge oder minderwertigen Aussage veranlasst.
  4. Redet trotz Nicht-Wissen.
  5. Schweigt oder wegschaut zur Lüge.
  6. Verspricht im Unwissen der Realisierbarkeit.
  7. Irrtum oder Missverständnis beabsichtigt, billigt oder in Kauf nimmt.
  8. Gefühle, Empfindungen vorspielt.
  9. Im politischen Theater „mitspielt“.
  10. Virtuelle Politik „macht“.

Die Liste lässt sich vermutlich verlängern. Jedermann weiß, welche Probleme den Deutschen etwa seit der Wiedervereinigung erspart worden wären, wenn der o.a. Katalog der Wahrhaftigkeit immer beachtet worden wäre. Die Schwierigkeit diesem Standard gerecht zu werden, ist offenkundig. Noch einmal wird erkennbar, dass Politiker zwar aus dem Kreise „normaler“ Menschen kommen, aber sogar privat, insbesondere in Erfüllung ihrer Aufgabe mehr Moral „bieten“ müssen als andere Menschen. Schon die Nicht-Beachtung einer der o.a. Imperative kann Vertrauen zerstören. Und dann: Wegjagen? Politische Führungselite als Taubenschlag liegt nicht im Interesse der Menschen.

(Fazit)

Die Behandlung des Themas „Moral und Politik“ passt angesichts des Konzeptes der Nächstenliebe mit ihrem Imperativ zur Reflexivität („ ... wie Dich selbst”) in hochaktueller Brisanz glaubwürdig in den kirchlichen Raum. Gewissenhaftigkeit, Vertrauen und Wahrhaftigkeit werden aus dem Gebot der Nächstenliebe abgleitet. Wahrhaftigkeit zu leisten ist unter den Bedingungen des politischen Schachspieles eine beachtenswert schwierige intellektuelle Dauerleistung. Aber: Elite ist Elite. Im übrigen ist es nicht verboten Normen, Regeln, Verfassungen, Gesetzbücher, Verordnungen so zu ändern, etwa zu vereinfachen, dass Überschaubarkeit für jedermann hergestellt wird. Sich hierfür einzusetzen ist übrigens ebenfalls eine Frage von Moral. Die Tatsache, dass fehlende Wahrhaftigkeit seitens der Mandatare staatlicher Gewalt fast jeden Bürger zu unwürdiger Ohnmacht verdammt, rechtfertigt harten Anspruch an Eliten allemal.

Der abschließende Gedankensprung ist einfach nachzuvollziehen: Bereits philosophisch gegründet, bestimmt qualitativ hochwertiges Handeln liberale politische Moral 2000; Liberale rechtfertigen stets den Einzelnen, niemals das „System“ mit den entsprechend vorgeschobenen Begründungen.
 

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