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Stand: 26. Oktober 2003, 11:00 / 23.08.03 / 10.+06.06.03

Das Kapital: Definition und Wesen


(1) Kapital in der Urwirtschaft

Erinnern Sie die Zeiten, als die Menschen auf den Bäumen lebten? Sie sollten, denn geschriebene Geschichte aus dieser Zeit gibt es nicht. Und Sie müssen, denn diese Zeit lehrt noch heute.

Das Leben war damals sehr beschwerlich. Es gab keinen „Staat“; insbesondere war die sozialistische Sozialgerechtigkeit unserer Tage noch nicht erfunden. Die Menschen auf den Bäumen mussten schon selber ihre vier Buchstaben be- wegen. ( ... ja, ja auch die “ausbeuterischen” Kapitalisten gab es noch nicht ... ). Also waren unsere fernen Vorfahren normalerweise damit beschäftigt, Nahrung, völlig BGBlos, für sich und die Familie (in dieser Reihenfolge!!) zu beschaffen.

Und blöd waren unsere Vorfahren mitnichten.

Sie bauten etwa Leitern, um schneller auf den Baum (Feiglinge auf der Flucht vor dem Löwen, Lüstlinge zum Weibe) zu kommen; und sie fertigten Werkzeuge, um bei der Nahrungsbeschaffung bequemer und vor allem produktiver ( ... diese ver- fluchte Profitgier ... ) arbeiten zu können.

Preisfrage an Sie, lieber Leser: Konnten unsere Vorfahren, denen man die “Ab- stammung vom Affen” noch viel besser als uns ansehen konnte, während ihrer “Bastelaktivitäten”, also gleichzeitig, “dabei”, Nahrung beschaffen? Nur zu: Jeder Mensch ob Liberaler, Neosozialist oder Kryptosozialist, Konservativer oder politi- sche Mumie, Bundesminister beim OMM, Transferleistungsempfänger, Beamter oder Gewerkschaftsfunktionär ist ein Ökonom ... Wenn Sie zur o.a. Frage also meinen: „Konnten ... nicht“, liegen Sie goldrichtig, Sie haben auf jeden Fall das Zeug zum potenziellen Liberalen ... Klar: Werkzeuge gibt es nur gegen Konsum- verzicht. Ist Konsumverzicht denn attraktiv? Nun, bereits in der Urgesellschaft blieb zurück, wer zu Investitionszwecken keinen Konsumverzicht leistete. Kurzer Exkurs in die Gegenwart: Leisten die Menschen heute ausreichend Konsumver- zicht? Was kann getan werden, um nicht konsumiertes Resultat von Arbeit, also “den Konsumverzicht” dem Einzelnen zuzuordnen? Bleiben wir zunächst wir in der Vorgeschichte:

Dialog damals:

A: „Ich würde gerne Eigentümer Deiner Leiter werden“
B: „Ich habe 4 Tage daran gearbeitet, wenn Du mir also 5 Tage lang Nahrung so
  beschaffst, dass ich und meine Familie satt werden ...“,
A: „5 Tage? Die alte Leiter ist doch schon seit 10 Jahren in Betrieb“.
B: „Also gut, 3 Tage“ ...
A: “Abgemacht”

Wir erkennen noch heute messerscharf, dass es schon vor langer Zeit Märkte für Leitern und Nahrungsmittel gab; und es gab auch Markwirtschaft vom Feinsten ... damals noch ganz ohne Politiker und ohne Staat ... Nun, wir wissen aus der Bi- bel, dass das Leben auf Erden tatsächlich mit dem Paradies begann ...

Spaß beiseite.


(2) Kapital in der arbeitsteiligen Gesellschaft

Werkzeuge (Leitern, ... , Spaten, Hacken, ... , Computer, Gebäude, ... ) sind Güter; die haben jeweils aktuell den Geldwert, den jemand dafür zu zahlen bereit ist. Solche Werte bezeichnen wir als Kapital und als Eigenkapital dann, wenn sie in Unternehmen zur Güterproduktion eingesetzt werden.

Bekannt ist: Ohne Mitarbeiter, kein Unternehmen. Darüber hinaus ist es vorteil- haft, im Unternehmen Kapital, sogar kostenträchtig Fremdkapital, einzusetzen; denn Kapital steigert die Produktivität. Bei gleicher Anzahl gearbeiteter Stunden steigt auch der Profit (oft beträchtlich). Dies gilt völlig unabhängig davon, wer der Eigentümer des unternehmerischen Eigenkapitals ist (Lieschen Müller, der Staat, die Gewerkschaft oder der schwarz behutete Kapitalist).


(3) Kapital in der politischen Kontroverse

Da nun für das Zustandekommen des Unternehmenserfolges die Mitarbeiter un- entbehrlich sind, ist es naheliegend zu überlegen, das Eigentum am Eigenkapi- talzuwachs zum Teil auch den Mitarbeitern zu übertragen. Noch „progressivere“ Leute wie Karl Marx meinten, der Staat solle der Eigentümer jeglichen Eigenkapi- tals sein; nur so ließe sich wegen der Akkumulation des Kapitals beim Kapital- eigner die „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ vermeiden; prächti- ge Idee; sie hat sich in der Praxis aber nicht bewährt, weil ... schenken wir uns die weitere Schilderung.

Staat bzw. Fiskus sollen Produktiv-Kapital also nicht halten; so ist das in der Rechtsordnung derzeit vereinbart.

Es hätte vielerlei Vorteile, wenn möglichst viele Arbeitnehmer Kapitalbeteiligun- gen hielten: Identifikation mit ihrer Arbeit, Identifikation mit der Gemeinschaft (Un- ternehmen) in der sie tätig sind, Motivation aktuell weniger zu konsumieren, Moti- vation für das Alter zu sparen und Flexibilisierung des Einkommens bei wech- selnder Konjunktur oder sektoralen Nachfrageschwankungen. Starre Strukturen vermindern die Beweglichkeit, die Anpassungsfähigkeit der Menschen und der sozialen Gebilde; hierin wird vielfach ein wichtiger Grund für die deutsche Malaise gesehen. (Erinnert sei an Argentinien, dessen Parlament in einem regelrechten Anfall von Heldenhaftigkeit 1991 den Wechselkurs des Dollars per Gesetz fest- legte, um politische Eingriffe in den Wechselkurs zu verhindern; aber der Fiskus verschuldete sich, so gesehen gesetzwidrig, weil spät, 2001/2002, krachender wirtschaftlichen Kollaps eben gesetzesbedingt unvermeidbar eintrat.) Es ließe sich einrichten, Arbeitnehmer am Eigenkapital der Unternehmen zu beteiligen, wenn ... ja wenn ... die Gewerkschaften wollten. Aber sie wollen nicht. Im we- sentlichen wohl aus folgenden Gründen:

  1. Das Risiko sei für Arbeitnehmer zu hoch. Arbeitnehmer sollen nur mit Lohn entlohnt werden.
  2. Entlohnung mit Kapitalbeteiligung bedingt Absenkung der Löhne, weil andernfalls die Rendite des bereits eingesetzten Kapitals sinken würde; solche Entlohnung meinen die Gewerkschaften nicht akzeptieren zu können.
  3. Es entsteht der Eindruck, die Gewerkschaften seien nicht in der Lage, ihre Rolle, auch langfristig nicht, neu zu definieren. Das Argument, das Konkurs-Risiko eines Unternehmens nehme im Falle der Arbeitnehmerbe- teiligung ab, lassen Monopolanbieter am Arbeitsmarkt, die Gewerkschaf- ten, im Dienste der eigenen Legitimation nicht gelten.


(4) Die Funktion von Kapital

Eigenkapital (EK) jedenfalls ist kumuliertes, nicht konsumiertes Ergebnis der Ar- beit (meist) vieler Menschen. Das Kriterium für die Zuordnung des Kapitalzuwach- ses ist ambivalent: Unter dem Gesichtspunkt naturgesetzlicher Kausalität wird der Kapitalertrag (Erlös minus Aufwand) willkürlich dem Kapitaleigner zugeordnet, während finanziell betrachtet, die Zinsen ohne Zweifel dem Kapitaleigner (Sparer, Hauseigentümer, Industrieller, Bankier) „gehören“.

Menschen leben ausschließlich von den Erträgen produktiver, d.h., erfolgreicher Güterwirtschaft. Deswegen hat Kapital nur eine einzige Funktion: So wie im Fall der Werkzeuge früherer Baumbewohner, zur Güterproduktion beizutragen, Güter- produktion (etwa Wohnen ist ebenfalls ein Gut) also bequemer zu machen. Den dem entsprechenden Erfolg messen wir (woran sonst?) am Profit des Unterneh- menden, der für Zeitabschnitte ermittelt wird. Und (selbstverständlich bekommen Sozialisten an dieser Stelle - eingebildete - Magenprobleme):

Die Sozialpflichtigkeit von Kapital besteht also darin, dass Profit, d.h. bilan- zieller Gewinn erzeugt/produziert wird. Brachliegendes Kapital (unter der Matratze oder als dauerhaft nicht produzierende/genutzte Hacienda) erfüllt die genannte Bedingung nicht.

(5) Immer wieder: Theorie gut, in der Praxis aber Kakophonie

Güterwirtschaft sollte, besser, soll - sogar zunehmend - erfolgreich sein. Also müssten „alle“ möglichst hohe, steigende Profite wollen. Aufgrund der beschriebenen, politisch leider kulti- vierten Ambivalenz haftet dem Profit jedoch überwiegend, völlig zu Unrecht, das Prädikat „anrüchig“, statt „positiv“ an.

Kein Wunder, dass die Wirtschaft in Deutschland so schlecht läuft; und deswegen also, die skandalöse bis obzöne Arbeitslosigkeit im Land des legendären Wirtschaftswunders. Ob es spezielle Unternehmen gibt, die bei aller Notwendigkeit selber Gewinn zu machen, etwas “besser” “helfen” könnten?
 

Stichworte: Kapital (Definition), Arbeitsteilung, arbeitsteilig, Wirtschaft, Gewinn, Profit, Zinsen

Wirtschaft & Soziales