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Stand: 4. August 2009, 15:00, 14.08.05, 27.04.03 / 10.01.02
letzte Änderungen kursiv gesetzt

Herrschaft, Schiedsrichter

Ist Wissensdiffusion in der Gesellschaft gehemmt (physikalisch bedingte Hin- derung des Informationsflusses, ungeeignete Darstellung, hohe Komplexität) und hat das Wissen die relevante Teilmenge der Individuen nicht erreicht, hat die Gesellschaft nicht gelernt. Hervorzuheben ist der Fall bewusst veranlasster Fließhemmnisse. Besonders im Fall des so genannten Herrschaftswissens we- niger Individuen, wenden diese ihre geheimgehaltene, gültige Theorie ggf. erfolg- reich an. Gesellschaft hat selbstverständlich in diesem Fall nicht gelernt. Be- sonders in totalitären Gesellschaften spielt Herrschaftswissen eine große Rolle.

Der Schiedsrichter ist eine uralte, sicher spontan geborene, später bewährte soziale Bildung (Begriff nach Hajek). Die Entscheidungen der Schiedsrichter sind in der Regel nicht prognostizierbar; sonst würden Schiedsrichter nicht ein- gesetzt. Also begeben sich Kollektive in die Abhängigkeit eines Einzelnen. Seltsam undemokratisch? Aber eben doch bewährt. Obwohl sich mal mehr, mal weniger Herrschaftswissen beim Richtenden und Schiedsrichter ansammelt, sind diese, fallbezogen und per Willensakt eingesetzt, unstrittig akzeptiert.

Ein weiteres Beispiel könnte das Parlament im demokratischen Staat sein, wenn es die Funktion auszugleichen, stärker wahrnehmen würde. Es müsste sich dazu allerdings auf wirklich zentrale Themen/Fragen konzentrieren. Wenn für jeden Mist tätig, bzw. von Interessengruppen ‘eingeschaltet’, verzettelt sich das Parlament und büßt letztlich seine Schiedsrichter-Autorität ein. Resultat: Der fette, parteiische Staat ist schwach, kann nicht schiedsrichten, ist deswegen eine schwere Belastung für die Gesellschaft; denn die sozialwissenschaftliche Unbestimmtheit gilt selbstverständlich auch für Amtsträger, Regierungen und Parlamentarier in den Institutionen des “allwissenden Staates”.

Ein gutes Beispiel für nützliches herrschaftswissen-basiertes Handeln: Die Zen- tralbanken. Ohne Zweifel werden hier Erklärungsmodelle, d.h. Theorien über die Gesellschaft (Wirtschaft, Finanzwesen) gebildet und zur Entscheidungsfindung herangezogen. Die Zentralbanken müssten “ihre Koffer packen”, wenn die Ge- sellschaft Kenntnis des spezifischen Herrschaftswissens erhielte. Geheimhaltung und gewaltige Macht im Dienste aller - zumindest solange es Geld gibt.

Fazit: (Teil-)Theorien über Gesellschaft werden als Herrschaftswissen u.U. zum Vorteil aller eingesetzt.

Vermutlich entschied etwa Alan Greenspan nach einem chaotischen Prinzip. Niemand kannte sein Modell. Deswegen galt bis 2008 (1) die Federal Reserve als erfolgreich. Die Gesellschaft hatte die Theorie des Alan Greenspan also nicht gelernt; aus Sicht der Gesellschaft war derartiges Wissen nicht existent. Es bleibt dabei: Eine menschliche Gesellschaft, die selbst versteht ist ist nicht nur undenkbar, sondern sogar ein unvernünftiger Gedanke.

Die Gesellschaft profitiert vom Nicht-Wissen über sich selbst. Das Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unbestimmtheit ist ein Segen, möglicher- weise gar eine inhärente Eigenschaft der Gesellschaft

... aber nur unter der Voraussetzung, dass der “Verzicht” bewusst, von robusten Mehrheiten getragen, vereinbart ist. Also müssen Grundgesetz, Gesetze, Rechtsprechung, Normen, Gewohnheitsrecht und die staatlichen Institutionen zwingend als Gesellschaftsvertrag errichtet, betrachtet und behandelt werden. Alles andere ist aus liberaler Sicht nicht erstrebenswerter, weitergehend: Inakzeptabler Obrigkeitsstaat.

Also Konservative, Obrigkeitsstaatler und Sozialisten: Archiviert Eure Ansichten, Euren Glauben und ...

Ach: Meinte Gregor Gysi, kurzfristig erzsozialistischer Senator für Wirtschaft in Berlin, am 9. oder 10.01.2002, “die Marktwirtschaft sei eine zivilisatorische Errungenschaft”.. Das Liberale Tagebuch: Silberstreif am Horizont? Hier am Rhein fehlt uns der Glaube. Am besten dringend weiter nachsitzen, Herr Gysi. Und: Sie müssten schon ihre eigenen Wähler mitbringen ...

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(1) Das Prinzip Zentralbank bleibt richtig. Aber es zeigt auch, dass an die Präzision der Auftrags- und Kompetenzbeschreibung “nicht öffentlicher Gremien” hohe Anforderungen zu stellen sind. Allgemein gehaltene Formulierung wie das Wohl des Staates oder das Wohl des Volkes sind so wie so unzulässig. Trotz allem sind fehlerhaften Handlungen nicht auszuschließen. Das liegt in der Natur der sozialwissenschafltichen Unbestimmtheit.

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Unbestimmtheit