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Stand: 30. Oktober 2008, 07:00 / 02.01.08 / 31.12.2007
zuletzt umfassend überarbeitet




Unwissenheit. Eine Thesensammlung -


399 v.Ch.,

Sokrates sinngemäß: “Ich weiß, dass ich nichts weiß”. Meister Sapiens hatte erkannt, als solcher die Bühne betreten zu haben.


2007:

Seit dem haben Tausende Philosophen Bibliotheken mit Analysen, Überlegun- gen zum Thema Wissen, Erkenntnis, dem menschlichen Sein schlechthin infla- tionär gefüllt. Es ist müßig, auch nur zu versuchen, das (noch) gültige Erkennt- nisfiltrat als Kurzfassung zu bringen. Das Begriffsinstrumentarium der elektroni- schen
Datenverarbeitung ermöglicht in Verbindung mit mathematischen Symbo- len nämlich, das Thema „menschliches Wissen“, d.h., Informationsverarbeitung mit relativ wenigen Aussagen auch in der Tiefe umfassend zu beschreiben; Wis- sensgewinn ist, dass so komplexe Verhältnisse mit so wenig Text darstellbar sind.

Zunächst ist zu fragen: Was wissen wir „darüber“?

Sokrates hat (noch heute) Recht. Heute ist weitergehend besser klar, dass jede Aussage y eines Menschen eine Funktion,

y = f ( Y ),          y Teilmenge von Y, das Gesamtwissen der Menschheit

ist. Diese Funktion ist rekursiv, weil spätestens zum Zeitpunkt ihrer Generierung die Aussage selber Element von Y wird. Die Wissenschaftler des Geistes ver- wenden für diesen Umstand den Begriff „Tautologie“. Etwa die Aussage eines Menschen über sich selber ist Kopie eines Teils des Wissens, das dieses Indi- viduum über sich selber gespeichert hält.


(A) Menschen würfeln

Ein großes Problem ist die Frage nach der Vollständigkeit der Kopie. Die Ant- wort hängt auch von der Absicht der Aussage ab. Absicht ist ihrerseits eine komplexe
multivariable Funktion des aktuell verfügbaren Wissensbestandes x und ggf. zusätzlich eines Input-Vektors (v) hoher und unbestimmter Stellenan- zahl mit Parametern aus der sozial-physikalischen Umwelt.

Absicht = f { x
i Teilmenge von Y , ( vj  ) },         i=1,n und j=1,m

Unbeachtet der Definition von Vollständigkeit i.o.S., sind zutreffende Aussagen über die äußere Beschaffenheit des Körpers einfach zu gewinnen. Beispiel: “Ich habe zwei Hände.”

Im Fall der Beschreibung von Gefühlen gibt es erste „Schwierigkeiten“. Beispiel: “Ich mag Süßes.” Wie süß? Seit wann? Zu jeder Tageszeit? Die Aussage ist, da zeitbezogen und
graduell eine flüchtige.

Sehr schwierig bis unlösbar ist für jede Person das Problem, entsprechend voll- ständige Aussagen über die eigenen Wissensbestände zu erzeugen. Eine Aus- sage über die Gesundheit der Rinder auf der argentinischen Pampa oder der Rindsviecher auf der intellektuellen Wüste wird, wenn die Kenntnis über Veteri- närmedizin u. Zustand von Pampa/Wüste nur vom Hören-Sagen-Lesen bekannt ist, auf Prämissen gestützt. Rinder ... unter der Voraussetzung, der Zustands- beschreibung gemäß Dokument xyz
(1), wobei unter Dokument realiter auch das lediglich gesehene oder gehörte zu verstehen ist. Der Methode wird damit Genü- ge getan; die Ungewissheit bleibt. Die explizite Prämisse verbessert zweifellos die Qualität einer Aussage. Aussagen ohne Prämissen gleichen der Fahrt mit Sommerreifen in tiefem Schlamm.

Die Verhältnisse verkomplizieren sich weiter, wenn Aussagen über eigenes Wis- sen aus unterschiedlicher Quellen unterschiedlichen Zeitpunktes generiert wer- den sollen
(2). Das Sokrates-Zitat kann so variiert werden:

(B) Ich weiß nicht, was ich weiß (3)

Kann also ein Anderer gar besser wissen, was ich will, meine Absichten sind? Und: Woher die Chuzpe, das eigene Wollen in des anderen Sollen und dann in dessen Wollen umzuwandeln?

(C) Das Prinzip ist einfach

Alle
Individuen speichern über ihre Sinnesorgane unentwegt Wissen (Informa- tion). Ab dem sechsten Lebensjahr hat jedes Individuum an Veranstaltungen zum Zweck systematischer Wissensvermittlung (Informationsübertragung) teilzu- nehmen; hierbei wird die automatisierte Umsetzung von Wissen (Information) in Handlungen trainiert.

Das Wissen zum Zeitpunkt „t“ umfasst auch Kopien von in der Vergangenheit er- zeugten Aussagen (Dokumente). Die Parameter dieser Dokumentensammlung sind (a) die Form (geträumt, gedacht, gesprochen, geschrieben und andere), (b) der Zeitpunkt und (c) der Inhalt.

Wissen wird vergessen; akut oder chronisch. Der Ablauf ist interindividuell unein- heitlich; der Selektionsprozess ist komplex. Beides kaum oder nicht nachvoll- ziehbar. In der Psychologie wird der diskrete Unterschied von Instinkt, Unterbe- wusstsein und Bewusstsein postuliert. Möglicherweise sind die Übergänge je- doch fließend.

Ohne Weiteres einsichtig ist, dass die Relationen zwischen Input und Output,

output = f { x
i ( inputj ) },

durch eine
große Zahl von Variablen bestimmt (aber mitnichten erkannt) sind (4).

Und zusätzlich wird die menschliche Wissensfähigkeit durch das Erkenntnis be- grenzende Prinzip der
Unbestimmbarkeit beschränkt.

Sokrates hat vermutlich nicht gewusst bzw. konnte nicht wissen, dass er so weitgehend Recht hat.


(D) Physik und Information

Auf der an beiden Ende offenen Skala vom Makro- bis zum Mikrokosmos “wis- sen” wir, kennt die Menschheit nicht einmal ihre Lage. Unten-Mitte-Oben? Das nicht nur, weil die Skala beidseitig offen ist, sondern weil schon der Versuch diese Lage zu bestimmen, mit der Absicht vergleichbar ist, das Metermaß mit sich selbst zu messen.

Gehen wir von der Prämisse aus, dass Wissen/Information an Materie gebunden ist, deren Organisation/Systematik aber unbekannt ist (bleiben wird?), dann wird sogar im schattenhaften Gedanken der Umfang des Kosmos der Information er- kennbar. Die Wahrscheinlichkeit der Gleichheit von 6,5 Mrd Menschen geht - er- fahrungsgemäß - gegen Null. Wollte ein Individuum das andere real-funktionell nur verstehen, scheiterte diese Absicht daran, dass die in einem Menschen ge- speicherte Information auf den anderen nicht vollständig übertragen werden kann.

Zwar ist die Menschheit der Idee des Atoms schon lange auf der auf der Spur; das Gleiche gilt für die Prinzipen der Himmelsmechanik; aber von Datenverarbei- tung verstanden die Leute „früher“ nicht viel.

Zum
sokratischen Unwissen kommt das heute bessere Verständnis des begrenz- ten menschlichen Verständnispotenzials und der begrenzten menschlichen Ver- ständniskapazität hinzu.

Was also wissen wir über „uns“, die Gesamtheit der Einzelnen?

So gut wie nichts.


(E) Tag aus, Tag ein

Operative Politik,
Prozesspolitik , kann und soll sich mit philosophischen Fragen nicht aufhalten. Hilfreich und weitergehend sinnvoll ist die philosophische Grund- lage aber allemal.

Es geht in der operativen Politik im wesentlichen um Kategorien wie Wahrheit, Vernunft,
Zweckmäßigkeit, Wollen, Zwang, Freiheit, Mehrheit, Minderheit, Gleich- heit und Gerechtigkeit. Prozesspolitisches Resultat sind unvermeidlich flüchtige (s.o), d.h., zeitgebundene, sog. dynamische Aussagen der Verabredung, dem
Gesellschaftsvertrag.

Sicherlich Grenzfälle, sind auch der Bienenstock, der Termitenhügel, der Amei- senbau jeweils samt Einwohner eine Gesellschaft. Wahrheit, Vernunft, usw. er- geben sich in solchen Gesellschaften durch das Prinzip der Einfachheit: Alle au- ßer der Königin sind gleich. Die Überlebenschance des Fischschwarms steigt, weil sich alle Mitglieder solcher Gesellschaft gleich verhalten. Das ist die Stunde der Raubfische. Überleben im Schwarm die Individuen mit dem besten Glück oder ist die Überlebenswahrscheinlichkeit der “ganz Schlauen” höher? Auf der versimpelten Skala vom letzten Sozialisten bis zum letzten Nationalisten will si- cher “niemand” eine menschliche Gesellschaft à la Bienenstock oder Fisch- schwarm.

Die Frage des angemessenen konzeptionellen Soll-Abstandes zwischen “Bie- nenstock” und Gesellschaft der Menschen ist nicht entschieden, nicht einmal beantwortet
(5). Also “wissen wir” (auch das) nicht (6). Konsequent ist: Was “wir nicht wissen”, können/sollten “wir nicht entscheiden”.

Es ist falsch, die Tatsache der biologische Schablone des Menschen in die Sphäre des Denkens, des Geistes der Individuen zu übertragen, zu extrapolieren. Neben kleinen biologischen Unterschieden der Individuen, hat Arbeitsteilung, Wohnort und der Einfluss der Eltern eine stark ausgeprägte geistige Diversität zur Folge; es scheint sich diese Diversität in der Generationenfolge zu akzen- tuieren.

Das Ziel „Ungleichheit im Ergebnis“ aufzuheben, ist folglich eine menschenfeind- liche
(7), selbstzerstörerische (7) und menschunwürdige Handlung (7). Genau genau genommen ist das der Gipfel menschgewordener intellektueller Arroganz.


(F) Epilog

Jene Mitmenschen, überwiegend sog. Politiker, die es nicht sein lassen können, die Prinzipien der Unwissenheit zu ignorieren, kommen in ein Labor.

Angenommen, es gäbe Computer, die noch besser denken können als Men- schen. Wären unsere Versuchskaninchen bereit, diesen Maschinen die politi- schen Entscheidungen zu übertragen? Es sei ihnen erlaubt, den Umstand zu verschweigen. Sie könnten Propaganda mit ihren Fähigkeiten machen, ihre Feh- ler sozusagen maschinell ausbügeln lassen, bessere „governance“ vortäuschen. Naaa? Ihre Antwort wäre garantiert ein empörtes „Nein“. Auch dann, wenn die Bevölkerung davon Vorteile hätte? Sehr wahrscheinlich auch dann “nein”; sie würden damit Angst machen, dass der Computer ausfallen könnte und ... über- haupt: die Regeln
(8) nach denen der Computer entscheidet, sind unbekannt ... Ach:

Aber wir, die „gemeinen“ Menschen, genauso von Unwissenheit „betroffen“, wie alle diese oberschlauen „konservativen“ bzw. „sozialistischen“ Politiker sollen
uns dem Diktat
(9) dieser „Demokraten“ beugen … Scheißspiel.


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(1) Dass prämissenbasiertes Denken leider nicht populär ist, könnte am Um- stand liegen, dass die gefallene Prämisse zum Ersatz von dadurch obsoleten Wissensbeständen durch anderes Wissen führt und - das Entscheidende - zu
anderem Verhalten geradezu zwingt. Das ist unbequem; auch weil das ge-
sellschaftliche Beziehungsgefüge
sich ändert, damit auch der bisherige Sta- tus des Individuums in Frage steht.
(2) Einfaches Beispiel: Ich kaufe/verkaufe meine Aktien. Krone der Schöpfung: „Der Staat muss eingreifen, um Kinder zu schützen“
(3) Auch Jesus Christus, Philosoph der Zeitenwende hat an dem Thema gear- beitet: „Verzeihet Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“. Noch 1600 Jahre später gab es Neuigkeiten, denn René Descartes toppte mit „cogito ergo sum“. Daher fragen wir 2007ff all unsere Oberschlauen: „Naaaa … a?“
(4) Die Frage nach der Größenordnung der Anzahl von Variablen, lässt sich spe- kulativ so beantworten: Entweder geht die Anzahl monovariabler Funktionen oder die Anzahl der Variablen der einen Funktion nach unendlich. Sogar diese Frage nach dem Ontos liefert als Prozess der Informationsverarbeitung unterschiedli- che Ergebnisse.
(5) Die Tatsache, dass gegen die Abfolge gleichmacherischer Regulierungspolitik kein Aufstand der Massen erfolgt, liegt daran, die Mehrheit der Individuen die Folgewirkungen nicht durchschaut.
(6) Obwohl Einige vorgeben, diese Ansicht nicht zu teilen, es also sehr wohl zu wissen meinen. Sie fragen in Deutschland “In welcher Gesellschaft ich/wir leben will/wollen” und beispielsweise in Argentinien “¿En qué sociedad queremos vivir?” “Es zu wissen” mit Adjektiven wie naiv, einfältig, primitiv, minderwertig zu kenn- zeichnen qualifiziert das Verhalten “es zu wissen” eher wohlwollend.
(7) Sozialpolitik ist eine andere Baustelle, wird hier mit Absicht nicht behandelt.
(8) Versetzen wir uns in die Lage eines Sozialisten oder Konservativen: Schon der Gedanke, dass ein böser Liberaler ... muss dem “Betroffenen” jeden Schlaf rauben. Und außerdem: Was ist mit meinem Arbeitsplatz? Die Bevölkerung? Die hat immer einen Arbeitsplatz: In Sibirien, Irak, Bautzen, Guantánamo ... Kuba.
(9) Selbstverständlich gibt es „Gedanken aus dem Volk“, die die Geschäftsführer der Staatsindustrie aufgreifen, umsetzen. Das sind jedoch Ausnahmen …
 

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