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Stand: 9. September 2006
letzte Änderungen kursiv gesetzt

Wissen durch Logik, damit Bewusstsein verändert

"Ich weiß etwas, weil du es auch weißt"

Rätsel des "von allen geteilten Wissens" lassen sich durch die Reaktionen der anderen Teilnehmer lösen

© WELT am SONNTAG, 19. Februar 2006, Friedemann Sittig

Die ausgesucht höflichen Mönche des Perplexer-Ordens spielen einander gern logische Streiche. Eines Nachts, als Archibald und Bruder Benedikt in ihrer Zelle schlafen, schleicht Bruder Jonas hinein und malt jedem einen blauen Tupfen auf den rasierten Kopf. Als sie aufwachen, bemerkt natürlich jeder den Tupfen auf dem Kopf des anderen, doch weil sie höflich sind, sagt keiner etwas.

Jeder fragt sich unschlüssig, ob auch er einen Tupfen hat, ist aber zu zurückhaltend, den jeweils anderen zu fragen. Nun tritt Bruder Zeno ein und beginnt zu kichern. Als er nach dem Grund gefragt wird, weigert er sich, mehr als den folgenden Satz zu sagen: "Mindestens einer von euch hat einen blauen Tupfen auf dem Kopf."

Das wissen natürlich auch die beiden Mönche. Doch dann beginnt Archibald zu grübeln. "Ich weiß, daß Benedikt einen Tupfen hat, aber er weiß das nicht. Habe auch ich einen Tupfen? Wenn ich keinen Tupfen habe, kann Benedikt sehen, daß ich keinen habe, und schließt aus Zenos Bemerkung auf der Stelle, daß er einen Tupfen haben muß. Allerdings ist ihm nicht anzumerken, daß ihm etwas peinlich wäre - hoppla, das heißt doch, ich muß einen Tupfen haben." An dieser Stelle errötet er heftig. Das widerfährt auch Benedikt, fast im gleichen Augenblick und aus dem gleichen Grund.

Ohne die arglose Bemerkung ihres Bruders hätte bei den Mönchen keine Gedankenkette in Gang gesetzt werden können, obwohl Zeno ihnen doch nichts mitteilt, was sie nicht schon wissen.

...

Zeno erklärt: "Zumindest einer von euch hat einen blauen Tupfen auf dem Kopf." Was wissen die Mönche denn eigentlich? Nun, Archibald weiß, daß Benedikt einen Tupfen hat, und Benedikt weiß, daß Archibald einen hat. Diese Tatsachen sind jedoch nicht identisch. Wenn Archibald aus Zenos Bemerkung schließt, er wisse das bereits, so ist für ihn Benedikt "der eine". Kommt dagegen Benedikt auf Grund von Zenos Aussage zu dem Schluß, daß er das schon weiß, so ist es für ihn Archibald.

Das ist absolut nicht die gleiche Feststellung. Zenos Bemerkung informiert nicht einfach nur Archibald, daß einer von ihnen einen Tupfen hat. Sie informiert Archibald auch darüber, daß Benedikt nicht weiß, daß einer einen Tupfen hat, und dieser eine ist ein und derselbe. Demnach teilt Zenos Aussage Archibald nichts Neues über das mit, was Archibald weiß, sondern sie läßt Archibald etwas Neues darüber erfahren, was Benedikt weiß.

Logische Denkspiele dieser Art kennt man als Rätsel eines "von allen geteilten Wissens", und sie beruhen alle auf demselben Mechanismus: Nicht der Inhalt der Aussage ist wichtig, sondern die Tatsache, daß jedermann weiß, daß alle es wissen. Sobald dieses Faktum zu gemeinsamem Wissen geworden ist, wird es möglich, über die Reaktion anderer auf diese Tatsache nachzudenken.
 

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Unbestimmtheit